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Blog-Artikel

Zwischen Harmoniebedürfnis und Verantwortung

Wie Unternehmerfamilien von einem gemeinsamen Zukunftsbild profitieren

Caroline Höllein | Zwischen Harmoniebedürfnis und Verantwortung
Caroline Höllein | Zwischen Harmoniebedürfnis und Verantwortung

Starke Unternehmerfamilien brauchen mehr als Harmonie – sie benötigen eine klare Familienstrategie, die Konflikte, Rollen und Nachfolgeprozesse regelt. In diesem Erfahrungsbericht zeigen wir, wie die gemeinsame Familienstrategieentwicklung familiäre Dynamiken stärkt und den nachhaltigen Erfolg des Familienunternehmens sichert.

„Wir verstehen uns doch gut – wozu brauchen wir so etwas wie eine Familienstrategie?“ Diesen Satz hören wir in unserer Beratungspraxis immer wieder. Und häufig beginnt damit ein spannender Prozess – denn er zeigt, wie tief das Bedürfnis nach Harmonie in Unternehmerfamilien verankert ist. Und wie sehr dieses Bedürfnis manchmal davon abhält, schwierige, aber notwendige Fragen zu stellen.

In Familienunternehmen liegt die größte Stärke und zugleich das größte Risiko oft ganz nah beieinander: die Familie selbst. Wenn sie einig ist, gemeinsame Ziele verfolgt und offen miteinander kommuniziert, wird sie zur stabilen Triebkraft hinter dem Unternehmen. Wenn jedoch unausgesprochene Erwartungen, Rollenunklarheit oder alte Kränkungen wirken, kann genau diese Nähe zur größten Belastung für das Unternehmen werden.

Eine Familienstrategie schafft nicht nur Strukturen – sie ermöglicht Gespräche, die sonst oft ge-scheut werden. Sie sorgt für Klarheit, wo sonst nur Bauchgefühle herrschen. Und sie hilft dabei, familiäre Stärke nicht dem Zufall zu überlassen, sondern bewusst zu gestalten.

Was ist eine Familienstrategie – und was nicht?

Die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer investieren viel Zeit und Energie in die Strategie ihres Unternehmens – zu Recht, denn des-sen Zukunft steht im Zentrum. Gleichzeitig zeigt unsere Erfahrung: Eine gut geführte Familie ist eine der stärksten Ressourcen für eine stabile Unternehmensentwicklung. Wer das Unternehmen schützen und stärken will, muss auch die Familie strategisch aufstellen.

Eine Familienstrategie ist keine Sammlung von Regeln, sondern ein gemeinsames Zukunftsbild der Familie. Sie beantwortet Fragen wie: Wer wollen wir als Unternehmerfamilie sein? Welche Rolle soll das Unternehmen künftig in unserem Leben spielen – und wir in seinem? Wer darf mitentscheiden, mitarbeiten, profitieren? Und wie bleiben wir als Familie auch in der nächsten Generation handlungsfähig?

Eine schriftliche Dokumentation der Ergebnisse in Form einer Familienverfassung ist ein wichtiges Ergebnis dieses Prozesses, weil so Verbindlichkeit entsteht – aber sie ist nicht die Strategie selbst. Eine gute Familienstrategie basiert auf gemeinsamen Gesprächen, Reflexion, Auseinandersetzung – und ja: manchmal auch auf Konflikten, die endlich ausgesprochen werden.

Wenn es persönlich wird – Dynamiken in Unternehmerfamilien

Die Verbindung von Familie und Unternehmen ist eine besondere. Sie kann vertrauensvoll, stark und stabilisierend wirken. Sie kann aber auch durch generationsübergreifende Erwartungen, unausgesprochene Loyalitäten oder persönliche Verletzungen massiv belastet werden.

In vielen Familien erleben wir Spannungsfelder, die sich immer wieder ähneln:

  • Der Wunsch nach Gerechtigkeit in der Familie trifft auf die Anforderungen unternehmerischer Effizienz.
  • Die Nähe und Emotionalität von Geschwisterbeziehungen kollidiert mit professionellen Führungsstrukturen.
  • Herkunft wird mit Kompetenz gleichgesetzt – auch wenn die tatsächliche Eignung für eine Führungsrolle fehlt.
  • Die Rollen sind unklar: Bin ich gerade Mutter, Mitgesellschafterin, Schwester oder Geschäftsführerin?

Ein Beispiel aus der Praxis: In einer Unternehmerfamilie war ein Bruder als Geschäftsführer aktiv, sein jüngerer Bruder ebenfalls Gesellschafter und im operativen Geschäft involviert, aber nicht in der Geschäftsführung. Immer wieder führte diese Konstellation zu Reibungen zwischen den Brüdern, weil es keine Klarheit darüber gab, in welcher Rolle der jüngere Bruder kommunizierte – aus der Rolle des Gesellschafters oder aus der Rolle des operativ tätigen Mitarbeiters. Erst durch eine gezielte Rollen- und Kommunikationsarbeit im Rahmen der Familienstrategie konnte hier Entspannung entstehen.

Diese Dynamiken führen dazu, dass Konflikte oft nicht auf der Sachebene entstehen, sondern in der Tiefe des Familiensystems. Entscheidungen werden nicht infrage gestellt – weil man „nicht schon wieder Streit will“. Erwartungen werden nicht ausgesprochen – weil man „den Familienfrieden nicht gefährden möchte“. Und irgendwann ist es dann zu spät.

Deshalb ist der Blick auf familiäre Dynamiken genauso wichtig wie der Blick auf das Unternehmen selbst. Denn die Qualität der Familienstrategie entscheidet maßgeblich darüber, ob die Familie zum stabilen Rückgrat des Unternehmens wird – oder zum unberechenbaren Risiko.

Wie Klarheit entsteht: der Weg zur Familienstrategie

Eine Familienstrategie ist kein Selbstzweck. Sie ist ein strategisches Werkzeug, das dem Unternehmen dient – indem es die Familie als Führungs- und Entscheidungsorgan stärkt. 

Es geht nicht darum, möglichst schnell zu Einigkeit zu kommen. Es geht darum, die richtigen Fragen zu stellen, unterschiedliche Sichtweisen sichtbar zu machen – und daraus ein gemeinsames Bild zu entwickeln.

In unserer Beratung hat sich bewährt, zunächst das Selbstverständnis der Familie zu klären: Wer sind wir? Was hält uns zusammen? Welche Werte verbinden uns – auch über Generationen hinweg? Oft stellen wir die Frage: Welche Ereignisse waren in den letzten Jahren oder Jahrzehnten typisch für unsere Familie? Die Ergebnisse und Geschichten in diesem Teil der Arbeit sind oft berührend und klärend zugleich und bilden ein gemeinsames Fundament für die weitere Arbeit.   

Darauf aufbauend geht es um Rollen, Rechte und Pflichten im Zusammenspiel von Familie und Unternehmen: Wer darf mitentscheiden? Wer darf mitarbeiten welche Qualifikationen müssen dafür mitgebracht werden? Wer soll das Unternehmen morgen führen – und wer wird Gesellschafter? Was ist fair – und was passiert mit den anderen? Dieser Teil zeigt aus unserer Sicht sehr klar auf, warum eine Familienstrategie eben nicht „nur Nachfolge“ ist, sondern aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden sollte. 

Wenn das Zusammenspiel von Unternehmen und Familie geklärt ist, widmen wir uns dem Umgang miteinander. Wir definieren Kommunikationsroutinen, wie z.B. regelmäßige Treffen in Form von Familientagen. Wir definieren, wer welche Informationen über das Unternehmen erhalten darf und welche Art von Informationen das Unternehmen nicht verlassen dürfen. Und darüber hinaus legen wir klare Regeln und Formate für eine gelungene Kommunikation und Konfliktbewältigung fest.
 
Ein gelungener Prozess lebt vom ehrlichen Dialog. Die Beteiligung unterschiedlicher Generationen ist ebenso wichtig wie die Einbindung von operativ tätigen und nicht tätigen Gesellschafter:innen. Und er braucht Zeit – denn Vertrauen lässt sich nicht beschleunigen.

Warum viele scheitern: Wenn Umsetzung zur Herausforderung wird

Nach intensiven Gesprächen, Klarheit über Rol-len, Nachfolge und Beteiligung – und oft auch viel emotionaler Arbeit – kommt die Erleichterung: „Jetzt haben wir alles geregelt.“ Doch genau hier beginnt der zweite, ebenso entscheidende Teil: die Umsetzung.

Denn ohne Umsetzung bleibt die Familienstrate-gie ein gut gemeinter Vorsatz. Um Wirkung zu entfalten, braucht sie konkrete Mechanismen:

  • Klare Gremien und Verantwortlichkeiten: Wer trifft wann welche Entscheidungen?
  • Gesellschafterkompetenz: Auch nicht operativ tätige Familienmitglieder müssen ihre Rolle verstehen und ausfüllen können.
  • Juristische und steuerliche Umsetzung: Wo nötig, mit rechtlicher Verankerung – z. B. über den Gesellschaftervertrag.
  • Nachhaltige Verankerung: Regeltermine, Review-Prozesse, Fortbildungen für Gesellschafter:innen.

Und vor allem: Sie braucht den Willen, dranzubleiben. Nicht jedes Thema lässt sich sofort lösen. Aber jede Familie kann sich entscheiden, an der Lösung zu arbeiten.

Oft erscheint es in der Familie ungewohnt, klare Verantwortlichkeiten und Rollen zu definieren. Denn in der Vergangenheit haben sich diese oft von selbst „ergeben“. Ein Beispiel: In einer Familie wurden nach einem intensiven Strategieprozess klare Kommunikations- und Entscheidungswege definiert. Doch schon nach einem Jahr fiel auf: Niemand fühlte sich verantwortlich für die Umsetzung der vereinbarten Regeln. Erst durch die Einsetzung eines Familienrats – mit rotierender Verantwortung – konnte die Nachhaltigkeit sichergestellt werden.

Fazit aus der Beratungspraxis: Was wir immer wieder beobachten

Unsere Arbeit mit Unternehmerfamilien ist ge-prägt von sehr individuellen Geschichten – und doch gibt es Muster, die sich immer wieder zei-gen. Hier einige unserer wichtigsten Learnings:

  • Der Spruch „Bei uns ist alles klar“ ist oft der Anfang des Problems.
  • Klarheit ist kein Zustand – sie ist ein Prozess.
  • Das Thema ist nie dringend – bis es zu spät ist. Die besten Gespräche entstehen nicht aus Not, sondern aus Weitsicht.
  • Nicht das Erzählte zählt, sondern das Erreichte. Strategien ohne Umsetzung sind nichts wert.
  • Eine harmonische Familie ist nicht konfliktfrei – sondern konfliktfähig.
  • Nachfolge ist nicht die Pauschalreise, sondern der Individualurlaub. Sie braucht Vorbereitung, Flexibilität und Mut zur Umplanung.
  • Externe Führungskräfte erwarten Professionalität – auch auf Gesellschafterebene. Familien, die sich selbst nicht führen, verlieren an Glaubwürdigkeit.

Diese Erkenntnisse sind keine fertigen Rezepte – aber sie helfen, typische Denkfehler und Stolperfallen zu vermeiden.

Familienstrategie ist Verantwortung – nicht Formalität

Die wirkliche Stärke einer Unternehmerfamilie zeigt sich nicht in der Einigkeit über das nächste Weihnachtsmenü – sondern in der Fähigkeit, komplexe, emotionale und manchmal schmerzhafte Fragen gemeinsam zu besprechen.

Eine Familienstrategie schafft Raum für unter-nehmerisches Denken – auch auf Gesellschafterebene. Sie ist kein juristisches Konstrukt, sondern Ausdruck der Verantwortung der Familie für das Unternehmen. Und damit ein zentraler Erfolgsfaktor für die Zukunftsfähigkeit beider Systeme: Familie und Firma.

Starke Familien erkennt man nicht an der Harmonie – sondern an der Bereitschaft, sich ehrlich mit sich selbst auseinanderzusetzen und stetig weiterzuentwickeln.

Autor

Caroline Höllein

Associate Partnerin
Caroline Höllein
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