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Blog-Artikel

Nachhaltigkeit und Glück

Wachstum als Streben nach evolutionärem Gleichgewicht

Prof. Dr. Arnold Weissman | Nachhaltigkeit und Glück
Prof. Dr. Arnold Weissman | Nachhaltigkeit und Glück

Themen in diesem Artikel

Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Glück für Familienunternehmen? Auf der einen Seite erleben viele Familienunternehmen starke Umbrüche und Veränderungen, sind einer massiven Unternehmenstransformation ausgesetzt. Das ist gerade die Kunst nachhaltiger Unternehmen, sich immer neu zu erfinden. Das ist das, was man vielleicht am besten mit traditionserhaltender Erneuerung umschreiben kann.

In einer Welt, die manche als VUKA (volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig) bezeichnen, in einer solchen Welt stellt sich die Frage, was überhaupt stabil bleibt. Die entscheidende Frage wird sein, wie es ein Unternehmen mit einer langjährigen Tradition schafft, die Zukunft zu gestalten?
 

Was können wir zum Thema „Wachstum“ von der Natur lernen? Die Biologie lehrt uns, dass ein gesundes System wachsen können sollte, aber es darf nicht wachsen müssen. Wenn ein System wachsen muss, um leben zu können, stirbt es. Nun stellt sich die Frage, wie wir Wachstum definieren? Wenn wir Wachstum als das Bestreben nach Besserwerden, das heißt das Bestreben nach vollkommener Anpassung als das Streben nach evolutionärem Gleichgewicht verstehen, dann ist Wachstum klug und richtig. Ist Wachstum allerdings das pure Streben nach Größe, birgt es das Ende bereits in sich.

Die wirtschaftliche Welt hat seit Mitte des 20. Jahrhunderts das Problem der Überkapazitäten geschaffen. Auf der Welt wurden – im Zuge des Wachstums und der Wachstumsphilosophie – immer neue Kapazitäten aufgebaut, um jährlich 10-prozentige, 15-prozentige, 20-prozentige Wachstumsraten realisieren zu können. Doch wir sehen an vielen Enden, dass dies endlich ist. Würden wir zurück zu Darwin gehen, so ist das Ziel für Unternehmen oder für biologische Systeme ja auch nicht Shareholdervalue oder Stakeholdervalue; „Survival of the Fittest“ bedeutet nichts anderes, als gesteigerte Überlebensfähigkeit.

Dies halte ich für ein absolut kluges Ziel bei der Verfolgung nachhaltiger Unternehmen. Überlebensfähigkeit heißt ja nichts anderes, als dass ein Unternehmen morgen auch noch existiert und es gibt viele Beispiele, die sich wünschen würden, dass dies bei ihnen eingetroffen wäre.

Gesteigert ist für mich ein Adjektiv, das für Unabhängigkeit, Stärke und Selbstbestimmtheit steht. Ist das nicht die Attitüde, die faktisch alle großen Familienunternehmen miteinander verbindet? Der Wunsch nach Unabhängigkeit, des Erhaltens des Unternehmens als unabhängiges, als selbstständiges Gebilde, wozu ganz speziell auch das der Bankenunabhängigkeit gehört.

Der Zweck eines nachhaltig geführten Unternehmens

Aus meiner Sicht ist der Zweck eines Unternehmens eben nicht seine Eigentümer reich zu machen, sondern der Zweck eines gesunden Unternehmens ist die Schaffung zufriedener Kunden. Denn wenn zufriedene Kunden wiederkommen, eine Bindung aufbauen, ein Unternehmen weiterempfehlen, so ist die Folge daraus eine entsprechende Gewinnsituation und Ertrag auch bei den Gesellschaftern.

Ich glaube, dass wir an dieser Stelle einfach verstehen müssen, dass der eigentliche Zweck eines Unternehmens eben nicht ist, Shareholdervalue zu generieren, sondern Kundenprobleme zu lösen. Unternehmen sind Problemlöser keine Produktanbieter.

Damit kommen wir zu einer der fundamentalsten Fragen der Ökonomie. Vor 200 Jahren hat Adam Smith in seinem Werk „The Wealth of Nations“ gezeigt, wie die Marktwirtschaft funktioniert; er sagte, wenn jeder seinen eigenen Nutzen maximiert, entsteht das Glück der größten Zahl. Wenn Sie Ihren Nutzen maximieren wollen und ich meinen Nutzen maximieren möchte, dann müssten wir miteinander über eine Brücke gehen und diese Brücke nennt man Marktwirtschaft. Die unterschiedlichen Interessen kommen über den Preis zum Ausgleich. So hat es Adam Smith beschrieben. Wie aber wäre es, wenn er sich geirrt hat und wenn wir 200 Jahre einem Missverständnis aufgelegen wären?

Nach meinem Verständnis ist die Welt genau umgekehrt. In einem nachhaltig geführten Unternehmen macht nichts so erfolgreich, als andere erfolgreich zu machen. Nutzen bieten – Nutzen ernten – Lösungen bieten. Am Ende ist es eine Balance, die wir schaffen müssen, zwischen den eigenen Interessen und den anderen Interessen. Hier hat Adam Smith natürlich recht, doch die Frage ist: Was ist der Ausgangspunkt? Maximiere ich meinen Ertrag oder schaffe ich meinen Ertrag, in dem ich anderen einen wertvollen Nutzen biete?

Erfolgreich über Generationen

Was definiert eigentlich Unternehmen und wie schaffen es Unternehmen, fünf, zehn oder mehr Generationen erfolgreich zu überstehen? Für mich sind Unternehmer Architekten. Sie errichten Gedankengebäude und daraus entstehen Häuser oder Unternehmen, die dann allerdings immer wieder revitalisiert werden müssen. Diese Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden, basiert auf einem Fundament und das Fundament eines starken Hauses sind seine Werte.

Die Verbindung aus Tradition und Innovation, die Verbindung aus Vertrauen und Respekt, eine klare Charta von Gesellschaftern, das ist das, was die Balance aus Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung herstellt. Schon die Lateiner wussten, welche Bedeutung Werte für ein stabiles Leben haben. Das Wort „Werte“ kommt vom lateinischen Wort „valere“ und das heißt stark sein, kräftig sein. Werte, das ist die Grundlage für eine stabile Beziehung, für Glaubwürdigkeit und für Nachhaltigkeit. Doch ein Unternehmen braucht nicht nur ein Fundament, es braucht auch eine Aussichtsplattform.

Die Zukunft ist der Raum der Möglichkeiten, der Raum der Freiheit, so beschrieb es einmal Karl Jaspers. Die Zukunft eines Unternehmens wird durch zwei große Aufgabenstellungen definiert: Durch die Mission und durch die Vision. Auch diesen beiden Worten kommen wir am besten näher, wenn wir sie von ihrem Wortstamm, von ihrer Herkunft aus analysieren. Das Wort „Mission“ kommt vom lateinischen Wort „mittere“. Ein Missionar wird entsendet. Er ist ein Botschafter. Er hat einen Auftrag und das ist die erste Aufgabe, die wir heute in einem Unternehmen uns stellen müssen, nämlich der Frage: Was ist der Auftrag dieses Unternehmens? Was würde der Welt fehlen, wenn es das Unternehmen nicht gäbe? Letztendlich definiert die Mission eines Unternehmens den Sinn des Unternehmens. Es ist ja keine Frage, dass das Ziel eines Unternehmens die langfristige Überlebensfähigkeit sein muss. Eine Mission ist ein Auftrag und der Zweck der Existenz eines nachhaltigen Unternehmens ist die Schaffung zufriedener Kunden. Es ist eben nicht die Aufgabe eines Unternehmens seine Gesellschafter reich werden zu lassen, sondern das ist die Folge aus zufriedenen Kunden.

Eine Vision ist ein attraktives Bild einer möglichen Zukunft. Wir wissen heute, aus der Neurophysiologie, was der Mensch sich nicht vorstellen kann, das kann er auch nicht erreichen. Diese drei Elemente verbinden sich miteinander zu einem Leitbild.

Vier Säulen

Aber wir brauchen auch vier tragende Säulen, die das Haus halten:

  1. Strategie: Eine Strategie, die auf profitables Wachstum ausgerichtet ist, eine Strategie, die dem Kunden Probleme löst, ein Unternehmen, das sich als Löser anspruchsvoller und komplexer Kundenprobleme versteht, nicht als Verkäufer von Produkten. Die Fähigkeit zur Problemlösung ist der Kern der Philosophie von Sir Karl Popper, der in seinem letzten Werk geschrieben hat: „Alles Leben ist Probleme lösen“.
  2. Organisation: Mit der bestehenden Struktur eine neue Strategie umzusetzen ist geradezu unmöglich. Das heißt, nachhaltig geführte Unternehmen brauchen auch eine strategische Organisationsentwicklung. Eine Organisationsentwicklung, die die zukünftigen Kompetenzen des Unternehmens abbildet. Strategie ist ein Kompetenzmodell. Nachhaltigkeit ist ein Kompetenzmodell. Wenn Ihr Unternehmen heute erfolgreich ist, dann haben Sie gestern die richtigen Entscheidungen getroffen. Wenn Sie wollen, dass Ihr Unternehmen morgen erfolgreich ist, dann müssen Sie heute die richtigen Entscheidungen treffen. Und wenn Strategie ein Kompetenzmodell ist, dann geht es heute darum, zu erkennen, welche Fähigkeiten, welche Kompetenzen, welches Know-how ein Unternehmen braucht.
  3. Führung: Wenn Sie mich fragen, was die wichtigste Entscheidung in einem Unternehmen ist und das ganz speziell in einem Familienunternehmen, so ist es die Besetzung der Führungspositionen mit dem richtigen Menschen. Für mich heißt führen, andere emporheben, Menschen wachsen zu lassen. Was gibt es nachhaltigeres, als Menschen wachsen zu lassen? Führende haben den Auftrag, andere Führende zu generieren, sie zu befähigen, sie emporzuheben, sie zu empowern, sie wertzuschätzen, sie mitzunehmen, aber auch sie zu fordern. Wir sind in einer Leistungsgesellschaft, die eine Balance braucht aus Ökonomie, aus Ökologie und auch aus sozialer Verantwortung. Das ist der Stoff, aus dem erfolgreiche Unternehmen gemacht sind.
  4. Familie: Der Kern eines Familienunternehmens ist und bleibt die Familie. Ob das Unternehmen durch die Familie geführt wird oder durch die Familie gesteuert wird, das sind Entscheidungen, die im Laufe der Generationen auf jedes Familienunternehmen zukommen. Auch gemischte Formen sind möglich. Die Frage ist doch nur, wenn das Oberziel die nachhaltige Erhaltung des Unternehmens ist, die gesteigerte Überlebensfähigkeit, dann müssen an der Spitze die besten Menschen stehen, mit den besten Fähigkeiten und sie müssen die Werte der Familie, niedergelegt in einer Charta, in einer Familienverfassung, im Herzen tragen.

Eine starke, wertebasierte Führung durch die Familie oder im Sinne der Familie, ist ganz sicher eine elementare Basis für nachhaltiges Wirtschaften. Handschlagsqualität, hanseatische Kaufmannslehre, der ehrbare Kaufmann, entscheiden Sie selbst, aus welcher Ecke Sie es bewerten möchten. Ich glaube auf jeden Fall, dass Nachhaltigkeit nur aus der Balance all dieser Elemente kommt.

Das Geheimnis des Glücks

Glück zu beschreiben ist schier unmöglich und in früheren Zeiten sagte man: „Glück hat man eben, oder man hat es nicht“. Das heißt, man kann das Glück seines Lebens gar nicht verändern.Heute ist die Glücksforschung hier bereits einen deutlichen Schritt weiter. Rein chemisch entstehen Glücksgefühle, wenn der Körper Glückshormone ausschüttet – Serotonin, Endorphine – doch wie entstehen diese euphorisch machenden Hormone?

Mihaly Csikszentmihalyi beschreibt in seinem Buch „Flow“ als Geheimnis des Glücks. Flow entsteht, wenn man eine schwere, anspruchsvolle und herausfordernde Aufgabe meistert. Felix von Cube beschreibt dies in seinem Buch „Fordern statt Verwöhnen“ mit anderen Worten, jedoch mit dem gleichen Inhalt: „Glück entsteht durch die Begeisterung für eine Sache. Glück entsteht durch Einsatzbereitschaft, durch Authentizität, durch das Kämpfen für eine Sache, mit der ich mich identifizieren kann“.

„Begeisterung ist eine Liebeserklärung an das Leben“

Glück entsteht persönlich, so sagt es die Glücksforschung, wenn vier Komponenten zusammenkommen. Sie werden oft, als die vier großen Gs des Glücks bezeichnet. Glück entsteht durch Gesundheit, durch Geselligkeit und gute Freunde, durch gute Gene und ein bisschen Geld gehört auch dazu.

Nossrat Peseschkian hat in seinem Modell einmal die Frage beantwortet, wie Glück als Balance des Lebens entsteht: Der Ausgangspunkt für Glück ist das Ego, ist die eigene Gesundheit, die eigenen Hobbys, die eigene Energie. Der Ausgangspunkt von Glück ist die Fähigkeit, mit sich selbst im Reinen zu sein. Denn wie soll man andere lieben, wenn man sich selbst nicht liebt? Die zweite Dimension im Modell von Peseschkian ist die Materie – im Sinne von finanzieller Unabhängigkeit, von Sicherheit, von Balance, natürlich auch in Form von Karriere und Einkommen. Die dritte Dimension, das sind die Menschen, das Du, die Familie, die Freunde, auch die Arbeitskollegen, also diejenigen, mit denen wir die meiste Zeit in unserem Leben verbringen. Und die vierte Dimension in seinem Modell ist der Sinn. Welchen Sinn gebe ich meinem Leben? Nachhaltigkeit entsteht, wenn man einen großen Auftrag erfüllt und daran langfristig denkt, daran langfristig arbeitet, sich darauf fokussiert und die finanziellen Erfolge als erfreuliches Ergebnis ansieht.

Finanzielle Unabhängigkeit und das Erhalten des Unternehmens als Oberziel – am Ende, und das beschreiben alle großen Lehren, geht es darum, das rechte Maß zu finden und die rechte Balance.

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Prof. Dr. Arnold Weissman

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