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Führungskräfte fordern klare Leitlinien der Unternehmer – und das zurecht

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Moritz Weissman | Klare Leitlinien in Familienunternehmen
Moritz Weissman | Klare Leitlinien in Familienunternehmen

Themen in diesem Artikel

Wir erleben derzeit die herausforderndsten Umfeldbedingungen seit Jahrzehnten. Corona, Lieferprobleme, Inflation, Ukraine-Krieg und Energieknappheit wären jeweils für sich eine extreme Belastung für Unternehmen und Gesellschaft. Aber die Kombination war und ist eigentlich unvorstellbar – und dennoch Fakt. In diesem Umfeld braucht es eine leistungsbereite, eingeschworene Mannschaft, die im Alltag schnell Entscheidungen treffen kann und sich auf permanent wechselnde Rahmenbedingungen einstellen kann. Dazu braucht es ein Maximum an Eigenverantwortung und Verbindlichkeit – und das wiederum braucht vorher klare Leitlinien der Gesellschafter.

Die Rollen, welche die Gesellschafter in einem Familienunternehmen und damit auch in diesen turbulenten Zeiten haben können, sind vielfältig. „Reine“ Eigentümer, Beirat oder Aufsichtsrat oder operative (Geschäfts-) Führung. Unabhängig von der gewählten Rolle ist aber eines unerlässlich: die Inhaber müssen klare Leitlinien vorgeben, damit das Unternehmen – aus Inhabersicht – in die optimale Richtung läuft. Nur so wird ein Rahmen festgesetzt, in dem dann wiederum andere (z.B. familienfremde Geschäftsführer), eigenverantwortlich und erfolgreich agieren können. Die Rollenteilung ist dabei klar: die Gesellschafter (oder der Aufsichtsrat) müssen in einem aktiven Dialog mit den Führungskräften den Rahmen setzen – die Führungskräfte müssen den Rahmen mit Leben füllen. Folgende Themen müssen dabei zwingend festgelegt werden:

1. Stoßrichtung des Unternehmens in Bezug auf Wachstum, Rendite, Risiko

Die Gesellschafter müssen für die kommenden 7 Jahre (= strategischer Zeitraum) grundsätzliche Entscheidungen treffen, um Zielkonflikte zu vermeiden. Soll das Unternehmen wachsen, ggf. sogar stärker als der der Markt und Marktanteile vom Wettbewerb erzielen, sind hier meistens erhebliche Investitionen (zulasten der Rendite) und Risiken erforderlich. Oder soll die Rendite optimiert (z.B. durch den Verzicht auf Investitionen) oder das Risiko minimiert werden (z.B. durch den begrenzten Einsatz von Kapital), selbst wenn das bedeutet Marktchancen auszulassen? Idealerweise schaffen Sie die optimale Balance aus Wachstum, Rendite und Risiko – aber die Stoßrichtung müssen Sie klar entscheiden!

2. Rolle der Familie

Die erfolgreichsten Familienunternehmer wissen, was sie können, was sie wollen und was das Unternehmen braucht. Damit haben sie ihre eigene Rolle klar definiert und dies auch so kommuniziert. Sind Sie Gesellschafter, der seine Beteiligung verwaltet, sind Sie inhaltlicher Sparringspartner oder haben Sie eine operative Rolle?

3. „Steuerung“ der Geschäftsführung bzw. des (externen) Managements

Verantwortung, intrinsische Motivation und Selbststeuerung, auf gut Deutsch: „ich muss mich um nichts kümmern“, ist das, was sich viele Gesellschafter von ihrem Fremdmanagement wünschen – und das zurecht. Die Voraussetzung sind allerdings auch hier klare Leitplanken. Wohin soll sich das Unternehmen entwickeln – wann sind die Gesellschafter zufrieden? Welche Themen in welcher (finanziellen) Größenordnung dürfen allein entschieden werden? Wann sollen die Gesellschafter informiert werden und wann müssen sie sogar zustimmen?

4. Gesellschafter- und Finanzierungstruktur

Vielen Unternehmen bieten sich attraktive Wachstums- oder Investitionsmöglichkeiten, die sie aber aus eigener (finanzieller) Kraft nicht erreichen können. Der „klassische“ Finanzierungsweg über Banken wird einerseits durch steigende Zinsen unattraktiver und v.a. aber über stärkere Regulatorik schwerer umsetzbar. Auch ist das Risiko einer steigenden Fremdverschuldung vielen Gesellschaftern zu groß, selbst wenn die Investitionen sinnvoll erscheinen. Eine Alternative können strategische Partner/Investoren sein, die das Unternehmen mit Kapital und zusätzlichem Know-how verstärken – aber dafür natürlich Mitspracherecht und Einfluss fordern. Für viele eine interessante Option – für andere kategorisch ausgeschlossen.

5. Qualitative Leitplanken – womit fühlen wir uns als Familie wohl?

Die Zusammenarbeit mit bestimmten Industrien, der Verzicht auf Investitionen in nachhaltige, umweltschonende Produktionen oder die Aufgabe von Standorten mit unattraktiven Arbeitsbedingungen sind Beispiele, wie Familienunternehmen häufig ihre Rendite verbessern können. Und hier müssen sich Unternehmen die Fragen stellen: Was wollen wir für ein Unternehmen sein – und was sind wir dafür bereit zu tun oder zu unterlassen?

Leichter gesagt als getan

Typische Stolperfallen, denen wir häufig in Unternehmen begegnen, sind:

Die Notwendigkeit für Leitlinien wird nicht gesehen

„Bei uns braucht es das nicht. Wir sind uns im Groben einig, uns Gesellschaftern ist sowieso alles klar und unseren Leuten eigentlich auch.“ Tatsächlich jedoch erleben wir häufig einen großen Bedarf auf Seiten der (externen) Führungskräfte, die gerne Verantwortung übernehmen möchten, aber nicht wissen, was die Ziele der Gesellschafter sind – gerade wenn (mehrere) Gesellschafter sich vielleicht doch nicht ganz einig sind.

Rosinenpickerei statt klarer Entscheidungen

Unternehmertum und Strategie bedeutet, klare Entscheidungen zu treffen – und die Konsequenzen zu akzeptieren. Unrealistische Zielvorgaben und ungeklärte Zielkonflikte führen zu Verwirrung oder sogar Verdruss. Wer Wachstum und Rendite möchte, muss Risiken eingehen. Wer (im Tagesgeschäft) mitsprechen möchte muss auch Verantwortung übernehmen. Wer möchte, dass Führungskräfte substantiell mehr Verantwortung übernehmen, muss selbst loslassen können.

Ohne Konkretisierung keine Orientierung

Das Ziel von Leitlinien muss letztendlich immer das Schaffen von Klarheit sein, um somit Orientierung für eigenständige Entscheidungen zu geben. Diese Klarheit kann durch messbare Größen entstehen, z.B. eine Mindest-Eigenkapitalquote oder eine konkrete Umsatz-Wachstums-Vorgabe oder auch qualitativ, z.B. durch den Ausschluss bestimmter Optionen (wie den Aufbau einer Zweitmarke für das Niedrigpreis-Segment). Auf jeden Fall müssen die Leitplanken daher so konkret sein, dass klar ist, in welche Richtung es gehen soll.

Beispiel: Die Gesellschafter eines Maschinenbauunternehmens verfolgen das Ziel, den asiatischen Markt intensiv zu erschließen. Bisher existiert lediglich eine Vertriebsorganisation vor Ort, auch nachdem die Leitplanke galt, dass jegliche Entwicklungs-, Konstruktions- und Produktionsleistung aus dem Stammhaus heraus erbracht wird. Um das Potential vor Ort zu erschließen, braucht es aber viel mehr Nähe zum Markt, viel mehr Verständnis für die Kundenbedürfnisse und mehr Geschwindigkeit in der Bearbeitung von Anfragen und Angeboten. Daher wurde diese bisherige Leitplanke nun verschoben: künftig soll ein Regional Headquarter aufgebaut werden, das auch eigene kundenspezifische Konstruktionen durchführt und so näher an den Markt rückt und schneller agieren kann. Die konkrete Ausgestaltung dieses Regional Headquarters liegt nun in der Verantwortlichkeit einer Führungskraft, die um sich herum ein Team aufbaut, um die notwendigen Voraussetzungen vor Ort zu schaffen. Diese Klarheit durch die Gesellschafter war zwingend notwendig, um diesen Prozess in Gang zu setzen.

Es existieren Leitplanken – aber diese sind im Unternehmen nicht bekannt

In vielen Unternehmen ist den Gesellschaftern die Wunsch-Richtung tatsächlich sehr klar – weil sie viel darüber nachdenken und im kleinen Kreis darüber sprechen. Das Problem ist häufig genau dieser Kreis. Die Entscheidungen sind getroffen, aber sie sind nicht kommuniziert bzw. werden leider häufig auf der Tonspur falsch weitergegeben/interpretiert und kommen v.a. bei der zweiten und dritten Führungsebene – die maßgeblich für die Strategieumsetzung verantwortlich ist – nicht an.

Leitlinien sind keine „allmächtige“ Vorgabe

Wenn Sie wollen, dass Ihre Führungskräfte das Unternehmen in dem Rahmen, den sie vorgeben, optimal entwickeln, dann braucht es einen abgestimmten Rahmen. Es ist völlig legitim und auch sinnvoll, dass die Gesellschafter Leitplanken definieren und dort auch Themen festlegen, die aus ihrer Sicht nicht zur Diskussion stehen. Dennoch müssen sie auch die Gedanken der Führungskräfte, insbesondere die Realisierbarkeit ihrer Leitlinien betreffend, aufnehmen und kritisch reflektieren, denn schlussendlich bedarf es eines wechselseitig abgestimmten und verabschiedeten gemeinsamen Zielbildes.

Sinnhaftigkeit

Der „Schaden“, wenn der Rahmen unklar ist, ist häufig sehr schnell zu beobachten. Es gibt sichtbare Konflikte, fehlende Verantwortungsübernehme und Frustration – d.h. es bleiben Potenziale auf der Strecke. Der Nutzen wiederum ist häufig unsichtbar und dennoch eindeutig vorhanden. Ein Kunde hat das wie folgt formuliert: „Wir haben endlich eine kontrollierte Ruhe von oben nach unten, weil wir alle wissen in welche Richtung es gehen soll, weil uns klar ist, was das bedeutet und was in diesem Rahmen nicht möglich sein wird. Das sorgt für ein super Gefühl.“

Fazit

Die Gesellschafter haben den klaren Auftrag, zu definieren in welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln soll und welche Leitplanken sie dabei setzen – diese werden in einem Gesellschafter-Positionspapier festgeschrieben. Das Management wiederum hat den Auftrag diesen Rahmen mit Leben zu füllen und das Unternehmen genau in diese Richtung zu entwickeln.

Autor

Moritz Weissman

Geschäftsführender Gesellschafter
Moritz Weissman
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