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Blog-Artikel

Überforderung durch Komplexität?

Aufgaben-Strukturierung über Rollen

Lisa Ahrweiler-Weissman | Überforderung durch Komplexität
Lisa Ahrweiler-Weissman | Überforderung durch Komplexität

Themen in diesem Artikel

Die Vielfalt der täglichen operativen Aufgaben nimmt einem fast den Atem. Dazu kommt der Druck, zeitlich alles fertig zu bekommen. Will man auch noch mit höherem Anspruch das eine oder das andere erledigen, steigt der Druck. Ein hilfreicher Ansatz ist es, Aufgaben über Rollen zu strukturieren und zu bearbeiten.

Bei der Bewerbung auf eine Stelle ist auf den ersten Blick klar, welche Aufgaben man übernehmen würde und ob persönliche Ausbildung und bisherige Erfahrungen zu dieser Stelle passen. Auf den zweiten Blick wird sehr schnell deutlich, dass man im Unternehmen verschiedene Rollen haben kann beziehungsweise hat – ob man will oder nicht.

Typischerweise hat jeder von uns genau genommen immer eine ganze Reihe von Rollen inne. Als Unternehmer bin ich der Visionär, der immer wieder innovative Ideen hat, wohin die Reise gehen kann. Gleichzeitig bin ich auch für die Umsetzung meiner Ideen zuständig, sowohl als „Finanzier“ als auch als „Produzent“. Selbstverständlich bin ich auch Verkäufer, der von seinen Produkten überzeugt ist.

Meister der Rollen

Die Rollen des Modeschöpfers Karl Lagerfeld waren enorm: Designer, Verleger, Fotograf, Herausgeber, Gestalter, Werber, Werbeikone und vieles mehr. Er selbst wollte „in einem Non-Stop-Dialog mit der Wirklichkeit stehen“ und betonte: „Daueraktivitäten sind gesund, stimulierend, und ich würde sie für alle Modeschöpfer per Zwang einführen.“ (Quelle: Stern Extra: Karl Lagerfeld, 01/2019) Lagerfeld arbeitete parallel über längere Zeit als Kreativer prägend für die großen Modehäuser Chanel, Fendi und Chloé. Mitte der 70er Jahre lebten gar 30 verschiedene Modefirmen von seinen Ideen. Der Grund: „ich habe eine Nase für guten Stil. Und was das angeht bin ich wie eine IBM Maschine. Denn man kann sein Gehirn auf Ideen trainieren.“ Kern all seines Tuns war es, seine Kreativität in eine Form zu gießen: in eine Zeichnung, ein Kleid, ein Schuh, eine Fotografie, eine Illustration, eine Modenschau, in Lebensstile, in einer immer wieder neuen Kunstfigur der Selbstinszenierung. Die Kernfähigkeit Kreativität setzte Karl Lagerfeld klar und konsequent über einen Zeitraum von 60 Jahren ein und in parallelen Handlungsrahmen bei den verschiedensten Modehäusern ein Meister der Rollen.

Handlungsinhalt und Handlungsrahmen

Im Handlungsrahmen werden die Kernaufgaben definiert und im typischen Zeitablauf genauer geplant, Schritt für Schritt erarbeitet und umgesetzt. Es liegt auf der Hand, dass jede Rolle einen eigenen Handlungsrahmen hat. Erfahrungsgemäß ist dies jedoch nicht klar. Ganz häufig wissen Rolleninhaber nicht, was sie genau tun oder auch lassen sollen. Im Zeitablauf sollten die Aufgaben immer wieder überprüft und aktualisiert werden, denn jede Rolle unterliegt der Veränderung.

Entscheidungsfindung und Entscheidungsgrenzen

Zum Handeln gehört immer das Entscheiden. Erfahrung und Expertise sind hier „entscheidend“. Klare Aufgabeninhalte ohne Unsicherheiten und Risiken liegen typischerweise im Entscheidungsrahmen des Bearbeiters. Je größer die Unsicherheit, die Komplexität und die Risiken, desto relevanter werden einerseits die persönlichen Erfahrungen und andererseits der Abstimmungsbedarf im Unternehmenskontext. Bleibt man auf der sachlichen Ebene, lassen sich Szenarien bewerten und mit Risikoabschlägen entscheiden.

Allerdings greifen hier ganz besonders die ungeschriebenen Gesetze im Unternehmen. Wann darf man wirklich entscheiden? Welches Machtgefüge ist zu beachten? Das zu verstehen und bestmöglich zu nutzen, ist die hohe Kunst – aus meiner Sicht die größte Hürde um erfolgreich zu sein oder zu scheitern. Sowohl die Entscheidungsfindung als auch Entscheidungsgrenzen sind nicht unbedingt logisch und gehorchen eben eigenen Gesetzen.

Bei einem derzeit von mir begleiteten Unternehmen gilt: du musst wissen, du entscheidest hier nichts. Eigentlich unvorstellbar – insbesondere bei der Größenordnung von mehreren tausend Mitarbeitern. Langjährige Mitarbeiter sind in die geltenden ungeschriebenen Regeln hineingewachsen und leben sie erfolgreich. Das Unternehmen ist absolut erfolgreich. Allerdings gilt auch: Kommt jemand als Quereinsteiger hinein, ist die Gefahr des Scheiterns enorm hoch.

Rollentypen und Organigramme

Betrachtet man die Aufgaben-Organisation in Unternehmen, erkennt man (hoffentlich) die Ordnungsstruktur: wie fügt sich das Puzzle der Handlungsrahmen von Aufgabenträgern und/oder Rollen zusammen? Welche Über- und Unterordnungen gibt es? M.E. ist dies ein reines Ordnungsprinzip, das das unternehmerische Geschäftsmodell sortiert. Dieses Ordnungsprinzip trägt sowohl bei prozessbasierten, funktionalen, virtuellen, als auch projektbasierten organisierten Unternehmen.

Zum Ordnungsprinzip kommt der Führungsstil hinzu. In funktionalen Strukturen sind Rollen eher funktional definiert. Zielvorgaben lassen sich leichter herunterbrechen und fördern einen eher autokratischen Führungsstil. Dieser Stil wird häufig kritisiert und eher abgelehnt. Wenn er jedoch für beide Seiten passt, dann hat er seine Berechtigung. Letztlich kommt es auf die Menschen an, die sich hier befinden. Oft habe ich Menschen erlebt, die mit genau diesem Rahmen hervorragend klarkommen, und sich in einem weniger strukturierten und flexiblen Umfeld unwohl fühlen und leistungsschwach werden.

Rollenbilder und Rollenvorbilder

Intuitiv suchen wir nach Menschen, die uns als Vorbilder dienen. Wir bewundern, wie diese agieren, wie sie Menschen führen, eng oder weit, wie sie Dinge durchdenken, autark oder im Team, wie sie Dinge entscheiden, logisch fundiert oder intuitiv. In der Regel übernehmen wir vieles in unsere eigenen Handlungsweisen. Wie so oft ist manches erhaltenswert – manches auch nicht. Reflektion und Feedback sind notwendige Mechanismen.

Idealerweise gibt es in Unternehmen die besonderen Rollen der Tutoren und Mentoren. Sie helfen beim Fokussieren und Konzentrieren, inhaltlich und persönlich. Und sind, gut gemacht, wichtige Verknüpfungen über Bereiche / Abteilungen / Prozesse / Strukturen / Rollen. Voraussetzung ist, dass sie formal gewollt sind, dann erfüllen sie ihre neutrale Rolle. Menschelt es dann, sprechen wir eher von Seilschaften im Sinne von Machtmechanismen – ein spannendes Thema. Manche Menschen haben hier enorme Fähigkeiten entwickelt, in Unternehmensgefügen klar zu kommen und selbst mitzuspielen.

Insgesamt führt ein Denken und Handeln in Rollen zu einer anderen Handhabung der eigenen Komplexität. Aufgaben werden komplettiert. Entscheidungen werden umfassender. Rollenspezifische Führungsstile werden möglich. Die persönliche Entwicklung bekommt eine neue Dimension.

Das konsequente Denken in Rollen wird typischer Weise in Unternehmen NICHT vollzogen. Ergebnis in der Praxis sind Aufgabenüberschneidungen, Schnittstellenprobleme, unklare oder auch fehlende Entscheidungen. Manche Themen verflüchtigen sich regelrecht, weil keiner die Verantwortung übernimmt. Das macht Unternehmen langsam. Dazu kommen die emotionalen Effekte: Frust, Enttäuschung, Konflikte, Druck, etc. Diese potenzieren die Problematik massiv. Rollendenken mit allen aufgezeigten Aspekten ist dabei ein effektiver Lösungsansatz.

Kennen Sie Ihre persönlichen Rollen im Detail in Ihrem Unternehmen? Wissen Sie, wann Sie wirklich entscheiden oder auf andere angewiesen sind? Wann sind Sie in einer Ihrer Rollen gescheitert und warum? Wer kann Ihr persönliches Vorbild sein? Für wen sind Sie selbst Vorbild?

Autor

Lisa Ahrweiler-Weissman

Senior Projektleiterin
Lisa Ahrweiler-Weissman
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