Familienunternehmen bestehen in der Regel über mehrere Generationen hinweg und haben oft eine langjährige und stabile Kundenbasis aufgebaut. Kundenbeziehungen sind daher meist eng und persönlich geprägt. Man könnte also der Meinung sein, Familienunternehmen kennen Ihre Kunden besser als die meisten Großkonzerne. Doch leider stellen wir in unserem Berateralltag immer wieder das Gegenteil fest.
Die Beziehungen sind zwar tatsächlich sehr eng und häufig auch sehr persönlicher Natur, doch auf der anderen Seite neigen Familienunternehmen auch dazu, sich zu sehr auf bestimmte Kunden oder Kundengruppen zu konzentrieren und andere Kunden zu vernachlässigen. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich die Geschäftsmodelle vieler Kunden über die Jahre auch weiterentwickelt haben. So ist es keine Seltenheit, dass viele Unternehmen, die z.B. aus dem reinen Handelsgeschäft kommen und im Commodity Handel groß geworden sind, mittlerweile auch ein Produktgeschäft oder vielleicht sogar ein Service-Geschäft aufgebaut haben, um ihre Abhängigkeit vom volatilen Commodity-Markt zu verringern. Kundengröße, -anzahl und nicht zuletzt die Kundenanforderungen können sich dabei grundlegend verändert haben.
Der Kundenfokus ist aber leider bei vielen Unternehmen noch immer der gleiche geblieben. Viel zu sehr schätzt man seine alten Bestandskunde, die noch immer einen Großteil des Umsatzes liefern und solange das Geschäft läuft, sieht man auch gerne mal über das ein oder andere negative Feedback eines neueren Kunden hinweg. Macht dieser – im Vergleich zu den alten Bestandkunden – auch noch einen deutlich geringen Anteil des Umsatzes aus, wird erst recht kein Gehör geschenkt. Wie relevant sind solche vermeintlichen „Einzelaussagen“ eines Negativ-Feedbacks? Fragt man den Vertrieb hört man sehr häufig: „Keine Angst, ich kenne meine Kunden. Das ist ein Einzelfall“. Doch schaut man genauer hin, kann es sehr gut sein, dass dieses Negativ-Feedback seine Berechtigung hat, ein andersartiges Kundeninteressen vielleicht ignoriert wurde und es tatsächlich die Stimme einer Gruppierung aus dem Markt widerspiegelt.
Auch der Blick auf die Kundenstruktur liefert Spielraum für Hypothesen. Sehr häufig macht noch immer eine geringe Anzahl an Kunden einen Großteil des Unternehmensumsatzes: die klassischen A-Kunden, die viele Unternehmen auch sehr gut kennen und schätzen. Nicht selten steht dem gegenüber auch eine Vielzahl an Kleinkunden. Diese machen einzeln betrachtet zwar einen geringen Umsatzanteil aus – die sogenannten C-Kunden – doch in Summe sind es trotzdem nicht selten mehr als 30% des Umsatzes. Kennt man diese Kunden? Leider meist nur ungenau. Haben diese Kunden Potenzial sich weiterzuentwickeln? Auch hier hören wir häufig nach langem Zögern ein klares vielleicht. Sicher ist hier nur die fehlender Transparenz in Bezug auf die wahren Kundeninteressen.
Erster Schritt: Customer Insight
Um seine Kunden wirklich bewerten zu können, schlagen wir deshalb jedem Unternehmen vor, sich dem Thema Customer Insights näher zu widmen und zu versuchen, seine Kunden gesamtheitlich zu verstehen. Nur so besteht die Möglichkeit verändernde Bedürfnisse und Trends zu erkennen und frühzeitig zu reagieren, bevor es der Wettbewerb tut. Dafür gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Methoden.
Kundendatenanalyse
Die einfachste Methode, die wahrscheinlich mit am wenigsten Aufwand verbunden ist, stellt die Kundendatenanalyse dar. Hierbei werden alle bestehenden Kundendaten gesammelt und im Detail analysiert. Durch die Analyse von Kundendaten wie Kaufhistorie, Interaktionen mit dem Unternehmen und Demografie können Trends aus Vergangenheitsdaten erkannt und Kundenbedürfnisse abgeleitet werden. So kann zum Beispiel ein besonderes Kaufverhalten in bestimmten Ländern oder Branchen erkannt werden. Auch zeigen sich vielleicht unterschiedliche Produktpräferenzen. Wichtig ist hier jedoch, nicht zu früh Rückschlüsse zu ziehen, sondern diese Beobachtungen zu hinterfragen und zu prüfen.
Kundenumfragen
Eine weitere Variante, die schon mit deutlich mehr Aufwand verbunden ist, stellt die Kundenumfrage dar. Durch das Durchführen von Umfragen kann direktes Feedback von Kunden zum Unternehmen, zu den Produkten oder zu den Dienstleistungen eingeholt werden. Diese können qualitativ oder quantitativ umgesetzt werden. Über einfache Online-Umfrage-Tools, wie SurveyMonkey, Jotform oder Google Forms, kann hier schnell und unkompliziert eine Umfrage aufgesetzt und umgesetzt werden. Wichtig ist hierbei, die richtigen Fragen zu formulieren und auch bei den Kunden einen repräsentativen Teilnehmerkreis zu finden. Die Fragen können z.B. auf Basis einer Kundendatenanalyse abgeleitet und Hypothesen durch die Kundenumfrage geprüft werden.
Kundenfeedback-Tools
Dem Kritikpunkt der fehlenden Regelmäßigkeit, der bei der Kundenumfrage häufig angebracht wird, kann durch Kundenfeedback-Tools gegengesteuert werden. Diese bieten eine gute Möglichkeit, um kontinuierlich Customer Insights sicherzustellen. Dafür haben sich in den letzten Jahren verschiedenste Kundenfeedback-Tools etabliert, die dabei helfen können, Feedback von Kunden zu erhalten. So können z.B. Feedback-Formulare nach Abschluss einer Bestellung ein Anfang sein oder stichprobenartige Abfragen beim Aufruf der Website oder der Apps. Qualtrics bietet beispielsweise umfangreiche Umfragefunktionen und kann in viele verschiedene Systeme integriert werden, einschließlich E-Commerce-Plattformen. Eine gesonderter Feedback-Reiter bei Reklamationen sollte zusätzlich nicht fehlen und gilt mittlerweile als Standard.
Social Media-Monitoring
Ergänzend sollte noch das Social Media-Monitoring genannt werden. Dabei handelt es sich um einen Prozess, bei dem soziale Medien und Online-Plattformen beobachtet werden, um wertvolle Informationen aus Online-Konversationen und Interaktionen auf sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, LinkedIn, Instagram und anderen Plattformen zu sammeln und zu analysieren. Durch die Überwachung von Social-Media-Kanälen können wertvolle Informationen über Kunden und ihre Bedürfnisse abgeleitet werden, ohne mit diese aktiv in Kontakt zu treten. Einen weiteren Vorteil bietet die Echtzeiterhebung, die es ermöglicht jederzeit auf Marktentwicklungen reagieren zu können.
Netflix zum Beispiel verwendet Social Media-Monitoring, um Trends und Vorlieben ihrer Nutzer zu verstehen und um ihre Empfehlungsalgorithmen zu verbessern. Durch die Analyse von Online-Diskussionen und Nutzerfeedback kann Netflix besser auf die Bedürfnisse seiner Kunden eingehen und ihnen personalisierte Empfehlungen bieten.
Welche Variante Sie auch wählen – am besten eine Kombination aus mehreren – hängt von Ihren individuellen Möglichkeiten ab. Wichtig ist aber, dass Sie damit starten und regelmäßig Customer Insights sammeln, um auf sich verändernde Bedürfnisse und Trends reagieren zu können und um Ihre Kunden besser zu verstehen. Indem Sie auf das Feedback Ihrer Kunden hören, können Sie Ihre Produkte und Dienstleistungen verbessern und langfristige Kundenbeziehungen aufbauen.
Kundensegmentierung für unterschiedliche Kundenbedürfnisse
Mit den Customer Insights ist die Basis gelegt. Nachdem Sie ausgiebige Einblicke in das Verhalten und die Bedürfnisse Ihrer Kunden erhalten haben, sollten Sie diese auch in Ihrem Leistungsangebot und entsprechenden Marketingstrategien berücksichtigen. Nur wer ein konkretes Kundenproblem löst, kann auch erfolgreich sein. Eine Kundensegmentierung bietet hier die ideale Möglichkeit, verschiedene Kundenanforderungen in Segmenten zu bündeln.
Die Kundensegmentierung kann auf verschiedene Arten durchgeführt werden. Eine gängige Methode ist die demografische Segmentierung, bei der Kunden nach Alter, Geschlecht, Einkommen oder anderen demografischen Merkmalen gruppiert werden. Eine weitere Methode ist die geografische Segmentierung, bei der Kunden nach ihrem Wohnort oder ihrer Region gruppiert werden. Eine dritte Möglichkeit ist die Verhaltenssegmentierung, bei der Kunden nach ihrem Kaufverhalten, ihren Interessen oder ihrer Markentreue gruppiert werden. In der Realität gibt es keine scharfe Trennung, sondern es findet sich eine Mischung aus den drei Varianten. Um die für Ihr Unternehmen passenden Segmentierung zu finden, sollte diese auf Basis der Customer Insights verprobt und ggf. iterativ geschärft werden.
Ein bekanntes Beispiel für eine Kundensegmentierung ist die Segmentierung von Apple für seine iPhones. Apple teilt seine Kunden in verschiedene Segmente auf der Grundlage ihrer Bedürfnisse und Kaufverhaltensmuster. Hier sind einige der bekannten Kundensegmente von Apple:
- Early Adopters: Diese Kunden sind technikbegeistert und immer auf der Suche nach den neuesten technologischen Entwicklungen. Sie kaufen das neueste iPhone-Modell, sobald es verfügbar ist.
- Mainstream-Käufer: Diese Kunden legen Wert auf Design, Benutzerfreundlichkeit und Qualität. Sie kaufen das neueste iPhone-Modell, wenn es für sie erschwinglich ist.
- Preisbewusste Käufer: Diese Kunden achten auf den Preis und kaufen ältere iPhone-Modelle oder Modelle mit weniger Speicherplatz, um Geld zu sparen.
- Geschäftskunden: Diese Kunden kaufen iPhones für ihre Geschäftsanforderungen, wie z.B. für den Zugriff auf E-Mails und andere geschäftliche Anwendungen.
Apple hat jedes dieser Kundensegmente auf der Grundlage von Bedürfnissen, Verhaltensmustern und Kaufpräferenzen identifiziert und seine Produkte sowie Marketingstrategien entsprechend angepasst (Quelle: Apple Segmentation, Targeting an Positioning). Durch die Segmentierung der Kunden kann Apple gezielt seine Marketingstrategien auf die Bedürfnisse jedes Segments abstimmen.
Fazit
Kombiniert man Customer Insights mit Kundensegmentierung, ergeben sich wertvolle Erkenntnisse, die Unternehmen dabei helfen können, ihre Kunden besser zu verstehen und ihre Produkte, Dienstleistungen und Marketingstrategien entsprechend anzupassen. Customer Insights bieten tiefere Einblicke in die Bedürfnisse, Vorlieben und Verhaltensmuster der Kunden, während die Kundensegmentierung dabei hilft, diese Kunden in verschiedene Gruppen zu unterteilen und ihre spezifischen Bedürfnisse zu identifizieren. Durch die Kombination von Customer Insights und Kundensegmentierung können Unternehmen ihre Marketingstrategien besser auf die Bedürfnisse ihrer Kunden abstimmen und ihr Angebot entsprechend optimieren. Insgesamt ist die Kombination von Customer Insights und Kundensegmentierung im Rahmen der Vertriebsstrategie ein unverzichtbares Instrument für jedes Unternehmen, das seinen Kunden eine personalisierte Erfahrung bieten und langfristige Kundenbeziehungen aufbauen möchte.