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Blog-Artikel

Effektive Integration in getrennten Business Units nach Wachstum und Zukäufen

Die Herausforderungen der Zentralisierung von Familienunternehmen

Julian Vögele | Herausforderungen der Zentralisierung von Familienunternehmen
Julian Vögele | Herausforderungen der Zentralisierung von Familienunternehmen

Themen in diesem Artikel

In den letzten Jahren haben zahlreiche von uns begleitete Familienunternehmen eine beeindruckende Wachstumsphase erlebt. Einige verzeichneten eine regelrechte Explosion ihrer Umsatz- und Mitarbeiterzahlen, sei es durch organisches Wachstum oder strategische Übernahmen. Während manche Unternehmen ihren Erfolg durch interne Expansion erreichten, ist das Szenario des Wachstums durch Zukäufe keineswegs selten. Ob im Zuge einer Internationalisierungsstrategie, zur Erschließung neuer Märkte oder zur Sicherung und Erweiterung der Wertschöpfungskette – die Gründe für diese strategischen Schritte sind vielfältig.

Was jedoch viele dieser Familienunternehmen eint, ist ihre Vorsicht bei der Integration neuer Unternehmen. Im Gegensatz zur hektischen "Corporate Welt" der USA, in der nach Vertragsabschluss schon am nächsten Tag das neue Firmenlogo am Hauptsitz der übernommenen Firma prangt, nehmen sich Familienunternehmen oft mehr Zeit. Der Fokus liegt darauf, die Stärken des zugekauften Unternehmens nicht zu gefährden und den Mitarbeitern keine abrupten kulturellen Veränderungen zuzumuten.

Diese Vorgehensweise ist auf den ersten Blick verständlich und sinnvoll. Doch sie führt nicht selten zu zahlreichen Doppelstrukturen in der Organisation, insbesondere in den unterstützenden Funktionen wie Finanzen, IT und Personal, aber auch in Bereichen wie Vertrieb, Forschung und teilweise Produktion. Lange Zeit wurde über diese Doppelstrukturen hinweggesehen, während der Fokus auf dem kontinuierlichen Wachstum lag. In den letzten Jahren hat jedoch der Kostendruck signifikant zugenommen. Dies zwingt Unternehmen nun dazu, genau zu prüfen, wie sich solche Strukturen effizient verbinden lassen.

Die Frage, die sich stellt, ist, wo eine Zentralisierung Sinn macht und wo nicht. Kostenaspekte spielen dabei eine entscheidende Rolle, genauso wie die Geschwindigkeit der Abwicklung, ein einheitliches Auftreten gegenüber dem Kunden und nicht zuletzt die Fähigkeit, größere Kapazitäten zu bewältigen.

Im Folgenden werden wir anhand eines Beispiels in der Logistikbranchen das Thema der Zentralisierung von Unternehmensstrukturen nach Zukäufen und während des Wachstums genau beleuchten. Wir werden die Herausforderungen und Chancen dieser entscheidenden Phase für Familienunternehmen eingehend analysieren und mögliche Wege für eine effektive Integration aufzeigen.

Ausgangssituation

In einem rasant wachsenden Markt für Fahrzeuglogistik strebte unser Kunde den Aufbau eines deutschlandweiten und multimodalen Netzwerks an. Über die Jahre hinweg gelang es, dieses Ziel durch eigene Standortentwicklungen und gezielte Zukäufe zu realisieren. Diese strategischen Entscheidungen erfolgten entweder, um bessere Standorte in der Nähe von Städten oder Produktionsstandorten zu erlangen, um einen verbesserten Zugang zu Verkehrsträgern wie der Bahn und sogar dem Hafen zu gewährleisten, oder um Zugang zu neuen OEMs zu erhalten, deren Zutritt aufgrund langjähriger Verträge nicht oder nur schwer möglich war.

Die anfängliche Strategie führte zu einer marktführenden Position. Allerdings entschied man sich bewusst, einige Zukäufe nicht in das Gesamtunternehmen zu integrieren, sondern sie in einer Art internem Wettbewerb parallel weiterlaufen zu lassen. Dieser Ansatz brachte zunächst gewisse Vorteile mit sich, darunter Flexibilität in der Abwicklung, fördernder Wettbewerb zwischen den Einzelfirmen und die Möglichkeit, bei Bedarf von der obersten Spitze eingreifen zu können.

Jedoch hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die negativen Aspekte dieses Ansatzes überwogen. Die Anzahl der Zukäufe nahm stetig zu, und anstatt über zwei oder drei Firmen zu sprechen, war nun von knapp zweistelligen Gesellschaftsstrukturen die Rede. Der Gesamtüberblick und die Koordination wurden immer schwieriger, und in einigen Fällen gerieten Standorte sogar in die roten Zahlen, während andere profitabel gesteuert wurden.

Ein weiteres Problem ergab sich im Bereich der IT und speziell des ERP-Systems. Während einige Gesellschaften bereits auf ein neues ERP-System umgestiegen waren, beschäftigten sich andere noch mit veralteten Systemen, die manuell gepflegt und gewartet werden mussten. Diese waren zudem nicht kompatibel zum Rest der Gruppe. Die steigende Zahl von Anfragen für Großaufträge, die nur durch ein koordiniertes Zusammenspiel der Teilgesellschaften möglich waren, wurde erschwert, da diese teilweise autonom am Markt agierten. Dies betraf nicht nur die Preisbildung, sondern auch das Kapazitätsmanagement. Angesichts der zahlreichen Querverrechnungen, die im Nachgang notwendig waren und dem damit verbundenen Controlling-Aufwand wurde klar, dass die Zeit für eine Veränderung gekommen war.

Zielsetzung

Die Zielsetzung war demnach eine Zentralisierung der Strukturen und die Bildung von Zentralfunktionen, den sogenannten „Shared Services“, um Synergien zwischen den Gesellschaften zu heben, Redundanzen aufzulösen und im Sinne des Kunden mit einer Stimme, dem sogenannten „One Face to the Customer“, am Markt aufzutreten. Dabei war es für unseren Kunden wichtig, nicht alle Gesellschaften pauschal zu zentralisieren, sondern bewusst zu prüfen, welche Elemente sinnvoll erscheinen und nur diese Strukturen anzufassen, durch die aus Gesamtsicht ein Mehrwert geschaffen wird. Ebenso war der primäre Fokus nicht Stellen abzubauen, sondern bestehende Ressourcen effizienter einsetzen zu können und Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

Ansatz

Wie bei fast allen Projekten war es auch hier entscheidend, sich einen umfassenden Überblick über die Ist-Situation zu verschaffen. Dabei war es wichtig, genau zu verstehen, welche Leistungen die einzelnen Gesellschaften für welche Kundensegmente anbieten. In unserem Beispiel wurde deutlich, dass sich teilweise gleiche Kunden mit teilweise gleichen Ansprechpartnern bei mehreren Gesellschaften wiederfanden. Auch das Leistungsangebot, vom Transport über die Fahrzeugaufbereitung, doppelte sich bei mehreren Gesellschaften. Dabei wurde klar, dass von den gut 2000 Mitarbeitern der Gruppe einige Hunderte doch ähnliche und im Wettbewerb stehende Tätigkeiten anbieten. Auf der anderen Seite gab es klare Abgrenzungen bei Services wie dem Hafentransport und dem Sonderfahrzeugbau, der nur durch jeweils eine Gesellschaft abgebildet wurde.

Nach Abschluss der Analysephase starteten wir mit dem Grobkonzept. Hierbei war es im ersten Schritt wichtig, Leitplanken zu definieren, die für das zukünftige Organisationsmodell gelten sollten. Themen wie ein übergreifender Vertrieb, die Zentralisierung von IT, Personal und Finanzen sowie eine strategischere Positionierung des Vorstands wurden herausgearbeitet. Im zweiten Schritt gingen wir in gemeinsame Workshop-Formate mit den Führungsteams der Einzelgesellschaften und suchten nach möglichen Organisationsoptionen. Hier sprechen wir bewusst noch nicht von einem Zielbild, sondern von Optionen, die es im weiteren Prozess zu bewerten gilt.

Dieser Schritt erwies sich als äußerst wichtig, da wir schnell erkennen konnten, welche Ideen auf Zustimmung bzw. Ablehnung stoßen. Hier zeigte sich auch, wer an konstruktiven Lösungen interessiert ist und die Zukunft des Unternehmens mitgestalten will, und wer am Status quo festhalten möchte – sei es aus Angst vor Veränderung oder aus anderen Gründen wie Machtverlust. Aus unserer Sicht ist dieser Schritt, besonders auch aus kultureller Sicht, ein Erfolgsfaktor für ein Organisations-Projekt, weil durch einen solchen kollaborativen Ansatz aus Betroffenen Mitentscheider gemacht werden, was sich bei der späteren Umsetzung positiv auswirkt.

Nachdem sich aus den Workshop-Formaten verschiedene Ideen herauskristallisiert hatten, arbeiteten wir diese als Optionen aus und diskutierten sie intensiv im Vorstand. Auch hier gab es nicht von Minute eins eine klare Richtung, auf Basis der erarbeiteten Argumente konnte schließlich eine objektiv und fundierte Entscheidung getroffen werden.
Das Ergebnis waren zwei getrennte Business Units, die sich durch ihr Leistungsangebot und ihren Kundenstamm klar differenzieren. Beide Units sollten auf gemeinsame Zentralfunktionen zugreifen, aufgrund der Größe aber differenzierte Strukturen in der Steuerung aufweisen. Mit diesem Ansatz kehrten wir zurück in die Organisation, überprüften diese erneut in Workshop-Formaten, passten sie geringfügig an und kamen schließlich zu einem Zielbild, das von der Mehrheit der Organisation mitgetragen wurde. Damit konnte die Umsetzungsvorbereitung beginnen.

Umsetzungsvorbereitung: Warum nicht gleich umsetzen, sondern erst noch vorbereiten?

Gerade bei Familienunternehmen stößt diese Phase oft auf Missverständnis. Warum können wir nicht gleich loslegen, sondern müssen noch weiter planen? Wie beschrieben, handelte es sich zunächst um ein Zielbild. Das bedeutet, dass dieses Ziel über verschiedene Zwischenziele erreicht werden muss, und genau diese gilt es zu planen.

Man könnte zwar eine Organisation auch in Form eines „Big Bangs“ radikal von heute auf morgen umbauen, aber dies ist mit erheblichen Risiken verbunden und unsere Erfahrung zeigt, dass bei Organisationen, die nicht veränderungserprobt sind, eine phasenweise Veränderung oft der bessere Weg ist. Hinzu kommen zahlreiche steuer-, gesellschafts- und arbeitsrechtliche Themen, die es im Rahmen der Umsetzungsvorbereitung eingehend zu prüfen gilt.

Rein von der fachlichen Organisation wurde ein Stichtag definiert, an dem die beiden BUs in der neuen Struktur gesteuert werden sollten. Von aufbauorganisatorischer Seite wurde jedoch ein Zwischenziel definiert. Innerhalb der einen BU sollte zunächst nur eine Zusammenlegung von drei Gesellschaften, die arbeits- und gesellschaftsrechtlich keine Gefahr darstellten, umgesetzt werden. Die restlichen Gesellschaften blieben in getrennten Gesellschaftsmänteln und wurden zunächst zentral fachlich gesteuert. Für die Zentralfunktionen wurden auf Gruppenebene Funktionen geschaffen wie IT, Personal und Finanzen, denen in einer ersten Phase die bestehenden dezentralen Strukturen fachlich zugeordnet wurden. Bei der anderen BU war es etwas leichter. Hier gab es rechtlich weniger Herausforderungen und man konnte sowohl fachlich als auch gesellschaftsseitig zum Stichtag in einer Gesellschaft die Firmen bündeln. Für die Zentralfunktionen galt allerdings gleiches Schema und man unterstellte diese zunächst nur fachlich. 

Für die weiteren Umsetzungsschritte und weitere Zusammenlegung wurden im Anschluss ebenfalls Stichtage definiert, jedoch wollte man bewusst aus den ersten Veränderungen lernen und diese Erkenntnisse im weiteren Prozess berücksichtigen. Diese detaillierte Umsetzungsvorbereitung war nicht nur aus rechtlichen Gründen notwendig, sondern auch, um die Veränderungen in der Organisation schrittweise und gut koordiniert voranzutreiben. Gerade bei Familienunternehmen, die oft Wert auf eine konservative Herangehensweise legen, ist dies ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Umsetzung

An besagtem Stichtag wurden die ersten Veränderungen der Realität angepasst. Um diese Transformation erfolgreich zu gestalten, wurde parallel dazu ein Change-Prozess ins Leben gerufen. Offen gesagt beginnt der Change und der dazugehörige Prozess bereits am ersten Tag des Projekts, und wie zuvor beschrieben, trug die frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter dazu bei, Vertrauen und Motivation für die Veränderungen zu schaffen. Doch spätestens mit dem Start der Umsetzung wurde die Situation ernst.

Durch transparente Kommunikation und klare Erklärungen konnten potenzielle Ängste und Widerstände reduziert oder teilweise abgebaut werden, was die Akzeptanz und das Engagement für die Veränderungen stärkte. Gleichzeitig wurde eine Plattform für den Austausch von Wissen und Erfahrungen geschaffen, um Lernprozesse zu fördern. Obwohl all das hilfreich war, gab es auch Zweifler und Widerstände. An dieser Stelle war es entscheidend, dass man sich auf Führungsebene von diesen distanzierte. Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion und müssen die Veränderungen aktiv vorleben. Auch wenn dies zuweilen kritisch war, ist es für den Erfolg einer Transformation unabdingbar, sich von Widerständen zu lösen und klare Entscheidungen zu treffen. Dies hieß auch sich von Führungskräften zu trennen, die den gemeinsamen Weg nicht gehen möchten.

Operativ lief nicht alles reibungslos ab Tag 1, jedoch zeigten sich schnell erste Erfolge. 
Ein Auftrag wurde generiert und umgesetzt, der die gesamte Leistungsfähigkeit einer der beiden Business Units erforderte. Es stellte sich heraus, dass die Abstimmung deutlich effizienter und einfacher verlief als in der vorherigen Organisationsform. Diese positive Erfahrung galt es zu kommunizieren und auch zu feiern, um ein klares Signal in die Organisation zu senden.

Fazit

Die Herausforderungen der Zentralisierung nach Wachstum und Übernahmen in Familienunternehmen erfordern einen durchdachten Ansatz. Am Beispiel eines Unternehmens in der Fahrzeuglogistik zeigt sich, dass strategische Standortentwicklungen und gezielte Zukäufe zwar Erfolge bringen, aber auch zu Doppelstrukturen und IT-Herausforderungen führen können.

Die Entscheidung, eine selektive Zentralisierung vorzunehmen und nur die Bereiche zu integrieren, die einen klaren Mehrwert bieten, erwies sich als effektiv. Eine umfassende Analyse der bestehenden Strukturen, die Einbindung der Führungsteams und eine schrittweise Umsetzung waren entscheidend. Erfolgskriterien lagen in der genauen Abstimmung von Leistungsangeboten und Kundensegmenten sowie in der klaren Definition organisatorischer Leitplanken, wie einem übergreifenden Vertrieb und der Zentralisierung von IT, Personal und Finanzen.

Die externe Unterstützung während dieses Prozesses erwies sich als Schlüsselfaktor. Sie brachte nicht nur Fachkenntnisse ein, sondern schaffte auch eine objektive Perspektive. Die Begleitung durch einen Change-Prozess mit transparenter Kommunikation und der Schaffung von Lernplattformen förderte die Akzeptanz und das Engagement der Mitarbeiter. Dies ist besonders wichtig, um Zweifel und Widerstände zu überwinden.

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten zeigten sich rasch Erfolge, darunter effizientere Abläufe und erfolgreiche Großaufträge. Heute befindet sich das Unternehmen weiterhin im Transformationsprozess, mit positivem Rückenwind und der Erkenntnis, dass eine gezielte, auf die individuellen Bedürfnisse angepasste Zentralisierung in Familienunternehmen erfolgsentscheidend ist.

Autor

Julian Vögele

Senior Projektleiter
Julian Vögele
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